Es ist Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen – Ein Weg zwischen Licht und Schatten
- matthiaswallisch
- 11. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Seit dem 4. Mai schreibe ich regelmäßig über Themen, die mich als Supervisor, Coach und

Begleiter in Veränderungsprozessen beschäftigen: über Veränderungsmanagement, Vereinsentwicklung, Selbständigkeit, über Dynamiken in Teams, Organisationen und Menschen.Inzwischen sind stolze 20 Beiträge entstanden – Zeit also, innezuhalten und eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Diese Monate waren intensiv, bewegend und lehrreich. Ich habe viel über andere gelernt – und mindestens ebenso viel über mich selbst. Der Weg in die Selbständigkeit und die tägliche Arbeit mit Menschen in herausfordernden Situationen sind für mich ein Weg zwischen Licht und Schatten.
Die Tiefe der Begleitung
Supervision und Coaching sind keine „leichte Kost“. Sie sind Begegnungsräume, in denen Menschen über sich selbst nachdenken – manchmal über Fragen, die sie schon lange begleiten. Oft geht es um Spannungen zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen dem, was jemand leisten möchte, und dem, was real möglich ist.
Ich erlebe in dieser Arbeit, wie stark Menschen sind, wenn sie beginnen, sich selbst ehrlich zu betrachten. Aber auch, wie verletzlich sie sich dabei zeigen. Als Supervisor oder Coach stehe ich oft mitten in diesem Spannungsfeld – als Zuhörer, als Spiegel, manchmal als Übersetzer dessen, was unausgesprochen bleibt.
Manchmal fühlt es sich tatsächlich an, als wäre ich ein „guter Freund“, dem man etwas sehr Persönliches anvertraut – in der Hoffnung auf Resonanz, Erleichterung oder Klarheit. Das Vertrauen, das mir dabei entgegengebracht wird, berührt mich tief. Verschwiegenheit ist für mich nicht nur eine berufliche Verpflichtung, sondern eine Haltung. Ich möchte mich dem Vertrauen, das mir geschenkt wird, immer als würdig erweisen.
Zwischen Rat und Resonanz
In den letzten Monaten habe ich mich immer wieder mit einer grundlegenden Frage beschäftigt: Wie viel Rat braucht Supervision?
Ratschläge zu geben, das will ich eigentlich gar nicht. Jede Situation, jeder Konflikt ist einzigartig. Meine Vorstellung, wie jemand damit umgehen sollte, ist geprägt von meiner eigenen Erfahrung – sie passt zu mir, aber nicht notwendigerweise zu meinem Gegenüber.
Mein Ziel ist es daher, Menschen nicht „meinen Weg“ aufzuzeigen, sondern sie darin zu unterstützen, ihren eigenen Weg zu finden.Das heißt: Fragen stellen, Räume öffnen, zuhören, Spiegel anbieten. So kann jemand die eigene Haltung entdecken, eigene Ideen entwickeln und wieder handlungsfähig werden.
Aber natürlich gelingt das nicht immer. Es gibt Momente, in denen mich eine Situation emotional stärker berührt, als mir bewusst ist.
Ich erinnere mich an eine Situation, in der es plötzlich sehr deutlich aus mir herausbrach. Aus mir heraus brach eine Bewertung, die ich nicht mehr zuordnen konnte, woher sie plötzlich kam.
Rückblickend kann ich jetzt mit Abstand sagen: Da spricht etwas in mir. Vielleicht eine alte Erfahrung, vielleicht ein Wert, vielleicht auch eine Grenze. Im Rückblick kann ich oft erkennen, warum ich so reagiert habe – und genau das sind für mich Lernmomente. Sie erinnern mich daran, dass auch ich als Begleiter immer im Prozess bin.
Über Selbstfürsorge und Grenzen
Supervision und Coaching erfordern viel Mitgefühl – aber auch Klarheit. Manchmal ist die Herausforderung nicht das Mitfühlen, sondern das Nicht-Verlieren im Mitgefühl.Ich lerne immer wieder, dass echtes Mitgefühl nicht bedeutet, alles mitzutragen. Es heißt vielmehr, präsent zu sein, ohne zu übernehmen.Das gelingt nicht immer. An manchen Tagen spüre ich, dass die Geschichten der anderen noch nachklingen, dass ich innerlich weiterarbeite, auch wenn das Gespräch längst vorbei ist.
Dann brauche ich Pausen. Spaziergänge, Musik, Zeit im Freien.Supervision bedeutet für mich nicht nur, andere zu begleiten, sondern auch mich selbst regelmäßig zu reflektieren. Nur wenn ich gut mit mir bin, kann ich anderen ein gutes Gegenüber sein.
Selbständigkeit – ein Wort mit vielen Facetten
Selbständigkeit ist ein spannendes, manchmal widersprüchliches Wort.Sie bedeutet Freiheit, Gestaltungsspielraum, Eigenverantwortung – aber auch Unsicherheit, strukturelle Einsamkeit und viel Organisation im Hintergrund.
Der Aufbau einer selbständigen Tätigkeit im Feld von Supervision und Coaching ist ein Prozess, der Geduld erfordert. In bestehende Netzwerke hineinzufinden, braucht Zeit. Neue Kontakte entstehen oft langsam, manchmal zufällig. Sich zu zeigen, über die eigene Arbeit zu sprechen, sich zu präsentieren – das fühlt sich anfangs ungewohnt an.
Ich erinnere mich an meinen ersten „Elevator Pitch“. Drei Minuten, um mich und meine Arbeit vorzustellen. Drei Minuten, um auf den Punkt zu bringen, wofür ich stehe. Es war merkwürdig und herausfordernd zugleich – aber auch lehrreich. Denn es zwang mich, Worte für etwas zu finden, das für mich eher ein inneres Erleben ist: Begleiten, Zuhören, Wahrnehmen, Reflektieren.
Kleine Erfolge und große Fragen
Trotz aller Anstrengung gibt es Momente, die alles aufwiegen:Wenn in einem Team wieder Vertrauen spürbar wird.Wenn jemand, der lange gezweifelt hat, plötzlich Mut fasst.Wenn ein Gespräch den entscheidenden Impuls gibt, um etwas in Bewegung zu bringen.
Das sind die Augenblicke, in denen die Arbeit ihre ganze Schönheit zeigt – leise, unspektakulär und doch tief bewegend.
Gleichzeitig tauchen immer wieder Fragen auf, die bleiben:Wie bleibe ich authentisch, wenn ich mich vermarkten muss?Wie halte ich die Balance zwischen Nähe und Distanz?Wie entwickle ich mich weiter, ohne mich zu verlieren?
Ich glaube, diese Fragen hören nie auf – und vielleicht ist genau das gut so. Sie halten mich wach und erinnern mich daran, dass auch mein eigener Entwicklungsprozess nie abgeschlossen ist.
Schreiben als Klärung
Das Schreiben meiner Blogbeiträge ist für mich mehr als Öffentlichkeitsarbeit. Es ist ein Stück Selbstklärung – und manchmal auch Selbstfürsorge.Indem ich schreibe, sortiere ich meine Gedanken, bringe Erlebnisse in eine Form und finde Sprache für das, was im Alltag oft zu flüchtig bleibt.
Manchmal entsteht dabei ein Text, der andere anspricht.Manchmal bleibt es einfach eine Notiz, ein Gedanke für mich.Aber immer ist es ein Moment der Bewusstwerdung – ein Innehalten zwischen Tun und Reflektieren.
Zwischen Licht und Schatten

Der Weg in die Selbständigkeit, die Arbeit mit Menschen, das Schreiben – all das bewegt sich für mich zwischen Licht und Schatten.Es gibt Tage, an denen alles fließt: Begegnungen gelingen, Prozesse entwickeln sich, Worte finden ihren Platz.Und es gibt Tage, an denen Zweifel, Müdigkeit oder Unsicherheit Raum einnehmen.
Beides gehört dazu.Und vielleicht liegt genau darin das Wesen dieser Arbeit: im Akzeptieren dessen, was ist – und im Vertrauen darauf, dass jeder Schatten nur sichtbar wird, weil irgendwo auch Licht ist.
Ich bin gespannt, wohin die Reise weitergeht – beruflich, schreibend und persönlich.
Wenn dir mein Blogbeitrag gefallen hat, würde ich mich sehr über ein Herz oder einen kleinen Kommentar freuen. Gerne kannst du mir natürlich auch direkt schreiben.
Ich wünsche dir ein schönes erholsames Wochenende.



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